Auf dem Gelände der Scharnhorst-Kaserne am Niedersachsendamm
in der Neustadt werden seit dem heutigen Dienstag (16. Juni 2015) die
Wohncontainer für den Bau eines Übergangswohnheims für insgesamt 200
Flüchtlinge angeliefert. Das Bundesamt für Immobilienaufgaben (BIMA)
hatte Ende vergangenen Jahres eine Teilfläche der Scharnhorst-Kaserne
kostenfrei zur Verfügung gestellt, der Beirat hatte zuletzt im März
seine Zustimmung erteilt. Vor Beginn der aktuellen Bauarbeiten waren
mehrere nicht genutzte Garagen- und Lagerhallen abgerissen worden. Zur
Abgrenzung gegen den als Kaserne genutzten weiteren Teil des Geländes
ist außerdem ein Zaun gezogen und ein Tor versetzt worden. Nach
derzeitigem Stand der Planungen kann die Wohnanlage in den ersten
Herbstwochen bezogen werden.
"Ich freue mich, dass wir mit dem
Bau weiter im Zeitplan liegen", sagte Anja Stahmann, Senatorin für
Sozioales, Kinder, Jugend und Frauen. Der Standort sei wegen seiner
Einbindung in dem Stadtteil sehr gut geeignet, "die Lage ist sehr
günstig für unsere Bemühungen um baldige Integration der Flüchtlinge."
Entstehen
sollen am Niedersachsendamm zwei doppelstöckige Wohncontainer-Komplexe
bestehend aus je 130 Elementen. Die Betreuung wird die AWO mit sechs
pädagogischen Kräften sicherstellen, Wohnraumvermittler werden die
Flüchtlinge bei der Anmietung eigener Räume unterstützen. Vorgesehen
sind in den Wohnkomplexen Gemeinschaftsküchen und gemeinschaftliche
Sanitäranlagen, Gemeinschaftsräume, Spielflächen für Kinder außen und
innen sowie die Einrichtung von Deutschkursen durch die Volkshochschule.
"Die Zahl der Flüchtlinge in der Bundesrepublik ist in den
vergangenen Monaten nochmals immens angestiegen", sagte Senatorin
Stahmann weiter. "Sollten sich die aktuellen Prognosen des Bundesamts
für Migration und Flüchtlinge für dieses Jahr bestätigen, dann hätten
wir den höchsten Zugang an Asylbewerbern in der Nachkriegsgeschichte."
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gehe inzwischen von
450.000 Asylbewerbern aus, mehr als die knapp 440.000 aus dem Jahr 1992,
dem Jahr mit den bis dahin höchsten Zugängen. Nie zuvor habe es zudem
einen vergleichbaren Sprung von einem Jahr aufs andere gegeben: Das BAMF
erwarte allein einen Anstieg um 250.000 Menschen. Das wäre der bisher
höchste Anstieg von einem Jahr auf das folgende, noch höher als von 1991
auf 1992. Damals habe das Plus bei 170.000 Menschen gelegen. "Wir
befinden uns in einer historisch einzigartigen Situation, wir müssen
daher zunehmend auch schwierige oder unpopuläre Entscheidungen treffen",
sagte die Senatorin. Dazu gehöre, dass für eine Übergangszeit im Sommer
und Herbst Großzelte aufgestellt werden müssten, auch für Erwachsene
und Familien. "Die Wahrscheinlichkeit steigt von Tag zu Tag und mit
jedem zusätzlichen Asylbewerber. Wir bereiten diesen Schritt daher
konkret vor."
In den ersten fünf Monaten des Jahres 2015 hat das
Land Bremen rund 1600 Flüchtlinge und Asylbewerber aufgenommen, fast
dreimal so viele wie im Vorjahreszeitraum (damals: 567). Nach wie vor
ist Syrien das bedeutendste Herkunftsland (519 Personen), gefolgt von
den vier Balkan-Staaten Albanien (262), Kosovo (236), Serbien (184) und
Mazedonien (77). Damit stammt etwa die Hälfte aller Flüchtlinge im Jahr
2015 aktuell aus den Balkan-Republiken. Es folgen in absteigender
Reihenfolge Afghanistan (72), Ägypten (51), Eritrea (42), Iran (31),
Somalia (26) und Russische Föderation (23). Nach dem Königsteiner
Schlüssel nimmt Bremen derzeit 0,96 Prozent aller Flüchtlinge auf, die
in der Bundesrepublik einreisen. Die Verteilung zwischen den Städten
Bremen und Bremerhaven ist im Verhältnis 80 zu 20 geregelt.
Noch
stärker ist derzeit der Anstieg bei den Jugendlichen, die ohne Familie
nach Bremen kommen. Allein in den Monaten Januar bis Mai sind 410
Jugendliche in Bremen aufgenommen worden, von Januar bis Mai 2014 waren
es 114. Jugendliche werden grundsätzlich nicht umverteilt unter den
Ländern der Bundesrepublik. Sie werden dort in Obhut genommen, wo sie
sich aufhalten. Nach einem vom Bundesland Hamburg angestellten Vergleich
hat Bremen im Jahr 2013 mehr Jugendliche aufgenommen als alle fünf
Bundesländer im Osten der Republik (Bremen: 200 / alle fünf Länder im
Osten zusammen: 192). Erst für Anfang 2016 wird – nach dann
anderthalbjährigem Vorlauf – eine Gesetzesänderung erwartet, nach der
auch Jugendliche gleichmäßiger über die Kommunen in der Bundesrepublik
verteilt werden.
"Für Jugendliche haben wir inzwischen das
erste Großzelt für 35 Personen aufgestellt", sagte die Senatorin. Nach
der inzwischen erfolgten Bauabnahme solle es in den kommenden Tagen
belegt werden. Die Jugendlichen würden zuvor vollständig neu
eingekleidet. Anlass für den Aufbau des Zeltes sei die beschlossene
Räumung der Erstaufnahmestelle für Jugendliche in der Steinsetzerstraße
gewesen. Die Einrichtung soll wegen anhaltenden Befalls mit Schädlingen
komplett saniert werden. "Die Sanierungsarbeiten werden vermutlich
sechs bis acht Wochen in Anspruch nehmen", sagte die Senatorin. Sie
könnten in etwa zwei Wochen beginnen, nachdem für alle Bewohner des
Hauses eine alternative Unterkunft gefunden sei: "Für die rund 200
Jugendlichen, die derzeit in der Steinsetzerstraße wohnen, finden wir
nicht von heute auf morgen einen Platz."
Zum Vergleich: Vor dem
Beginn der aktuellen Flüchtlingswelle gab es in Bremen 30 Heimplätze für
jugendliche Flüchtlinge. Das entsprach dem Zugang eines ganzen Jahres.
"Zuletzt sind allein im Mai 108 junge Flüchtlinge zu uns gekommen",
sagte Senatorin Stahmann.