Senatorin Anja Stahmann informiert sich vor Ort über Förderprojekt
Senatorin Anja Stahmann, Renate Siegel, in der Sozialbehörde zuständig für BIWAQ und Wabeq-Geschäftsführer Ernst Schütte
Die berufliche Integration Langzeitarbeitsloser gilt als
besonders langwierig und herausfordernd. Während viele
arbeitsmarktpolitische Maßnahmen auf kurzfristige Schulungen und den
schnellen Integrations-Erfolg ausgelegt sind, finanziert das
Förderprogramm BIWAQ (Bildung, Wirtschaft, Arbeit im Quartier) Projekte,
die sich um Menschen mit besonderen Vermittlungshemmnissen kümmern. Aus
dem Europäischen Sozialfonds stehen für BIWAQ bis zum Jahr 2020 bis zu
90 Millionen Euro bereit. Dazu kommen bis zu 65 Millionen Euro aus
Bundesmitteln. Bremen kann mit insgesamt 1,8 Millionen Euro rechnen,
200.000 muss die Stadt selber aufbringen. Bundesministerin Barbara
Hendricks wird am kommenden Dienstag (24. November 2015) in Berlin den
offiziellen Startschuss für die Förderrunde 2015 bis 2018 geben. Anlass
genug für Sozialsenatorin Anja Stahmann, sich die fünf Bremer
Biwaq-Projekte vorstellen zu lassen, die im Laufe des Jahres 2015
gestartet sind.
Dazu gehört unter anderem der Kiosk am Deichschart am Werdersee in
Huckelriede. Wo im Sommer Eis verkauft wird und im Winter auch mal
Glühwein, werden vorrangig Angebote zur Alphabetisierung und
Grundbildung umgesetzt. "Der Arbeitsmarkt hat sich schon lange
gewandelt", sagte Sozialsenatorin Anja Stahmann. "Vor 30 oder 40 Jahren
haben noch viele Ungelernte und Hilfsarbeitskräfte irgendwo einen Job
gefunden, etwa in den Häfen oder auf Baustellen. Solche Arbeitsplätze
gibt es heute so gut wie gar nicht mehr." Folglich sei die
Arbeitslosigkeit für Menschen ohne abgeschlossene Berufsausbildung mit
Abstand am höchsten. "Und wer nicht lesen und schreiben kann, braucht
auf eine feste Stelle gar nicht mehr zu hoffen."
Im Kiosk am
Deichschart haben nun Bremerinnen und Bremer eine Beschäftigung
gefunden, die ansonsten ohne Chance wären, und denen auch eine
kurzfristige Schulung nicht helfen kann. Angestellt sind sie beim
Beschäftigungsträger BRAS, der in dem Projekt auch Holz- und
Metall–Spielzeuge herstellen lässt, die im Außenbereich des Kiosks
genutzt werden können. "Das Projekt verbessert so einerseits die
Qualifikation der Menschen, und gleichzeitig werten die Produkte ihrer
Tätigkeit den Sozialraum auf", sagte die Senatorin. "In dieser
Kombination funktionieren grundsätzlich alle Biwaq-Projekte."
In
Hemelingen zum Beispiel befindet sich ein "Sozialkaufhaus" im Aufbau,
mit einem Waren- und Dienstleistungsangebot aus gebrauchten Möbeln,
Elektrogeräten und Haushaltswaren, einem Second-Hand-Laden und
wohnortnahen Beratungsangeboten: Schuldner- und Arbeitslosenberatung,
psychosoziale Beratung und Gesundheitsvorsorge. Flankiert wird das Ganze
von einem Stadtteilcafé als sozialer Treffpunkt im Quartier – wo der
Kaffee nicht ganz so viel kostet wie im Café. "Hier sollen vor allem
Langzeitarbeitslose mit psychischen Belastungen einen Platz finden",
sagte Senatorin Anja Stahmann. Von dem Sozialkaufhaus mit seinen
Dienstleistungen erhoffe man sich gleichzeitig auch eine Belebung der
Ladenzeile in der Hemelinger Mitte. Soziale Projekte und lokale Ökonomie
können sich so gegenseitig stärken, so die Erwartung. Die Beschäftigten
sammeln hier erste Arbeitserfahrungen, fast wie im Betriebspraktikum.
Die Nähe zwischen geförderter Beschäftigung für Langzeitarbeitslose und
lokaler Wirtschaft könnte Brücken bauen – für den einen oder anderen
auch in den regulären Arbeitsmarkt. Beschäftigungsträger ist hier ein
Verbund aus Pro Job (Verein für Innere Mission), Gröpelinger Recycling
Initiative und Arbeiter Samariter Bund.
Handwerklich Begabte, vor
allem EU-Zuwanderer, finden dagegen eher eine Stelle in Gröpelingen, wo
der Beschäftigungsträger WabeQ Fachkräfte im Hochbau, Garten- und
Landschaftsbau, Bauten- und Objektbeschichtung zu einem qualifizierten
Berufsabschluss führt. "Hier geht es ganz gezielt um betriebliche,
arbeitsweltnahe Praxiseinsätze und abschlussorientierte
Qualifizierungsmaßnahmen", sagte die Senatorin. Mit verschiedenen
Kooperationspartnern kann sogar geförderter Wohnraum entstehen, also
sozialer Wohnungsbau, wie einst das Waller Dorf.
In Tenever
richten sich die Qualifizierungsangebote im Mütterzentrum vor allem auf
Zuwanderer und alleinerziehende Frauen, flankiert durch
Kinderbetreuung. "Kinder sind die größte Bereicherung, die man sich im
Leben vorstellen kann", sagte Senatorin Stahmann. "Aber zur Wahrheit
gehört auch, dass Kinder das größte Armutsrisiko sind, besonders für
Alleinerziehende." So sei in Bremen jede zweite Alleinerziehende von
Armut bedroht. "Es gibt keine Bevölkerungsgruppe mit einem so hohen
Armutsrisiko." Darum seien Qualifizierungsmaßnahmen, die sich an den
Bedürfnissen von Alleinerziehenden ausrichten, so wichtig. "Viele
Alleinerziehende schaffen den Weg aus der Armut, wenn die Kinder größer
sind und sich etwas freigeschwommen haben. Aber für die Mütter ist das
mit ganz erheblichen Anstrengungen verbunden. Dabei können sie jede
erdenkliche Unterstützung gebrauchen." Hauswirtschaft, Erzieherin,
Altenhilfe, Einzelhandel und Transport/Logistik sind die Arbeitsfelder,
die das Mütterzentrum anbietet, teils mit Berufsabschluss – zum Beispiel
als LKW-Fahrerin. Vermittelt werden Berufspraktika bei den
Gewerbetreibenden im Bremer Osten, geboten werden Kompetenzanalysen und
Profiling, Bewerbungstrainings und Unterstützung bei der Vermittlung in
Ausbildung oder Arbeit.
In Oslebshausen werden schließlich auf
dem Gelände der ehemaligen Justizvollzugsanstalt Blockland straffällig
gewordene Langzeitarbeitslose stabilisiert, beschäftigt und
qualifiziert. In den Berufsfeldern Garten- und Landschaftsbau,
Tierhaltung und Imkerei gewinnen sie Erfahrungen und Orientierungen im
Arbeitsprozess. Das Gelände wird aufgebaut und weiterentwickelt, es
werden Gärten und Gewächshäuser angelegt und ein Veranstaltungsort für
Bewohnerinnen der umliegenden Stadtteile ist geplant. Schulklassen und
Kindergarten-Gruppen können die naturnahen Flächen mit seltenen
Tierarten besuchen.
"Bremen hat einen hohen Sockel verfestigter
Langzeitarbeitslosigkeit in diesen benachteiligten Quartieren und
Stadtteilen", sagte Senatorin Stahmann. Als Partnerprogramm des
Städtebauförderprogramms "Soziale Stadt" setze BIWAQ gerade hier den
Schwerpunkt: "BIWAQ verbessert mit Geld aus dem Europäischen Sozialfonds
und vom Bund die Lebensperspektiven. Mit seiner Sozialraumorientierung
zielt es auf Unterstützung jener Menschen, die am dringendsten darauf
angewiesen sind."
Schon im Zeitraum 2008 bis 2015 wurden in zwei
Förderrunden bundesweit bis zu 184 Millionen Euro für BIWAQ
bereitgestellt, rund 124 Millionen Euro aus dem ESF und etwa 60
Millionen Euro Bundesmittel. Damit wurden mehr als 220 mehrjährige
arbeitsmarktpolitische Projekte in etwa 200 Gebieten erreicht. Insgesamt
gab es etwa 60.000 Teilnehmende, davon 43 Prozent mit
Zuwanderungsgeschichte.
Achtung Redaktionen: